Texte

Blumenrevolution

15.02.2007
Die Furche
Hartwig Bischof

Als in Nicaragua in den späten 1970er Jahren die Revolution die gewalttätige Herrschaft des Diktators Somoza mit Gewalt beendete, ging eine aus aus ihr erwachsene Ikone um die Welt: eine junge hübsche Frau präsentierte ihr Gewehr, aus dessen Lauf eine weiße Blume leuchtete. Die Malerein Ellen Semen ruft eine ähnliche Revolution aus, eine Blumenrevolution. Auch sie reagiert auf die Gewalt, die ihr allenthalben begegnet, wenngleich ihr Gewehr der Pinsel und ihre Munition die Farben sind.

Auf vielen ihrer Bilder tobt ein Kampf der Symbole. So durchbrechen etwa Soldaten - seien es nun Männer, Frauen oder Kinder – die heimeligen Teppiche aus in voller Blütenpracht stehenden Blumen. Das Weiche und Flauschige prallen unvermittelt auf das Harte und Sperrige. Mitunter überrollen die Bilder ihre Titel, wenn das Herz auf einer Blume stehendes Kleinkind zeigt, das eine flache Handgranate auf der flachen Hand hält oder wenn der Frieden
einen Buben mit Pistole im Anschlag zeigt. Die Beschriftung steigert die Betroffenheit, die die Bilder auslösen.
Ellen Semen durchmischt in ihrer Analyse der Gegenwart die gesamte Geschichte, Männer mit Heiligenschein tauchen genauso auf wie griechische Helden und Figuren aus der Mythologie, oder zeitgenössische Helden wie zum Beispiel Supermann. Dieser wird angesichts eines Kuddelmuddels aus menschlichen Leibern zu Hilfe gerufen: „Es geht nicht mehr, Supermann muss her!“.

Die Sehnsucht nach Helden scheint die Lösung zu sein. Auf Helden vor! Hält eine Schönheit dissen Spruch als Banner in die Höhe, ein Bildzitat von Delacroix`personifiezierter Revolution, die bereits im 19. Jahrhundert Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit ausrief. In Persönliche Krise macht sich Semen Kleists Rat zu eigen: „Was man lange genug denkt, verliert allen Schrecken“. Freilich ersetzt sie das Denken durch das malen, wenn das nicht ohnedies das Gleiche ist.